Blog Artikel
von Mirko Düssel & Co. Kategorie(n): Produktmanagement

Grundgesetze des Marketings

22 ultimative Gebote – gegen die Sie auf keinen Fall verstoßen sollten

Ein Kerngedanke modernen Marketings ist erfolgreiche Positionierung: die Kunst ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Idee, ein Projekt oder ein Unternehmen erfolgreich in den Köpfen potenzieller Kunden zu platzieren.

In wettbewerbsintensiven Märkten reicht es nicht aus ein gutes Produkt, eine überlegene Dienstleistung oder eine herausragende Idee zu haben. Sie müssen sicherstellen, dass Ihre Zielgruppe das auch wahrnimmt und Präferenzen zu Ihren Gunsten bildet.

Damit erfolgreiche Positionierung gelingen kann, ist es hilfreich, wenn Sie die folgenden »Grundgesetze des Marketings« Ihrer Marktbearbeitung zugrunde legen. Auf den ersten Blick erscheinen die von Al Ries und Jack Trout* erstmals in den neunziger Jahren formulierten Grundgesetze des Marketings ausgesprochen ambitioniert. Sie sind es! Mehr als 25 Jahre im Marketing und aktiver Begleiter zahlreicher Erfolgsgeschichten der unternehmerischen Praxis bestätigen mehr denn je die Gültigkeit dieser Gebote.

Mit Blick auf einen sich verschärfenden Wettbewerb in fast allen Branchen sollten Sie die Grundgesetze nicht nur kennen, sondern konsequent daran arbeiten sie umzusetzen. Bei Fragen oder Feedback freuen wir uns von Ihnen zu hören.

* = Ries/Trout: The 22 Immutable Laws of Marketing, 1993

Seien Sie Erster!

Grundsatz 1

Es ist besser, Erster zu sein, als besser zu sein. Nicht diejenigen, die die überlegene Leistung bieten, gewinnen den Wettbewerb um die Gunst der Kunden, sondern diejenigen, denen es gelingt, sich an erster Stelle im Bewusstsein der Kunden zu positionieren.

Auf eine kurze Formel gebracht: Der Kunde kauft nicht von demjenigen, der »objektiv« das beste Angebot hat. Er entscheidet sich für das Angebot, dem es gelungen ist, sich als Erstes im Bewusstsein des Kunden zu etablieren.

Es ist erheblich leichter, ein Produkt als Erster auf den Markt zu bringen und beim Kunden erfolgreich zu positionieren, als ein weiteres, bei dem Sie erst nachweisen müssen, dass es besser ist als die bereits vorhandenen Angebote. Denken Sie beispielsweise an Samsonite (Hartschalenkoffer), Tempo (Papiertaschentuch), IBM (Personalcomputer) oder TV Spielfilm (14-tägige Programmzeitschrift).

Machen Sie etwas Neues!

Grundsatz 2

Wenn Sie schon nicht der Erste in einer Kategorie sein können, dann stellen Sie wenigstens eine neue Kategorie auf die Beine, in der Sie Erster sein können.

Bereiten Sie die Einführung eines Produktes in einem Markt mit bereits etablierten Wettbewerbern vor, so sollten Sie ein neues Segment schaffen, das sich von den bereits vorhandenen Angeboten deutlich unterscheidet.

Denken Sie beispielsweise nochmals an TV Spielfilm. Um nicht gegen bereits fest etablierte Programmzeitschriften wie Hörzu oder TV Hören und Sehen antreten zu müssen, wurde ein 14-tägiges Format geschaffen, bei dem nahezu ausschließlich über Film, Fernsehen, Stars und Sternchen berichtet wird. Ein weiteres Beispiel ist DELL. In der gesättigten PC-Branche positionierte sich DELL als erster Anbieter, der Computer per Telefon und Internet – dennoch individuell auf die Kundenwünsche abgestimmt anbietet.

Dringen Sie ins Gedächtnis Ihrer Kunden ein!

Grundsatz 3

Es ist besser, Erster im Kopf der Kunden zu sein, als der Erste im Markt. In Ergänzung zum ersten Grundsatz lassen Sie mich darauf hinweisen, dass es nicht nur reicht, Erster zu sein. Sie sollten vielmehr alles daran setzen, von Ihren potenziellen Käufern wahrgenommen zu werden. Nur so gelingt es Ihnen, von den Kunden als Vorreiter gesehen zu werden. Ist der Zug erst abgefahren, weil ein Nachfolger mit mehr Kommunikationsaufwand an Ihnen vorbeigezogen ist und sich im Bewusstsein der Zielgruppe etabliert hat, haben Sie das Rennen um die Poleposition im Kopf Ihres Kunden leider verloren.

Zahlreiche Existenzgründer und Start-ups mit hervorragenden Produktideen scheitern gerade an diesem Grundsatz. Es gelingt ihnen nicht schnell genug, ihre Zielgruppe zu erreichen. Ehe sie sich versehen, ziehen neue Wettbewerber, die die Produktidee aktiv aufgreifen, an ihnen vorbei.

Nur die Wahrheit der Kunden zählt!

Grundsatz 4

Marketing ist kein Kampf der Produkte. Marketing ist ein Kampf subjektiver Wahrnehmungen.

Marketer verbringen oft viel Zeit damit, Fakten zu sammeln, Vergleiche anzustellen und »objektiv« bessere Eigenschaften an den eigenen Produkten zu entwickeln. Es wird als »naturgegebenes« Gesetz angesehen, dass das technisch überlegene Produkt der Held einer Marketingkampagne sei. Unsinn.

Wie wäre es sonst zu erklären, dass der Marktanteil japanischer Autos in Deutschland trotz ihrer nachgewiesenen Qualität, größeren Zuverlässigkeit und günstigeren Preise in den letzten Jahren den Marktanteil kaum auf 10 % steigern konnte. Auch zeigt sich in etlichen Branchen, dass die Marktführer nicht immer die Anbieter mit den besten Leistungsmerkmalen sind. Die Wahrnehmung der Kunden orientiert sich eben nicht nur an objektiven, messbaren Kriterien.

Setzen Sie auf ein Schlagwort!

Grundsatz 5

Das schlagkräftigste Konzept im Marketing ist ein Schlagwort, das Sie in den Köpfen der Käufer für sich gepachtet haben.

Kunden, die wenig Zeit haben und unter Informationsüberlastung »leiden«, sind komplexe Sachverhalte kaum zu vermitteln. Und selbst wenn Sie sie verstehen würden, wollen Kunden sich diese nicht merken (lernen). Es ist wesentlich wirksamer, einfache, gut erinnerbare  Begriffe zu bevorzugen. Die wirkungsvollsten Worte sind einfach nutzenorientiert. Egal wie kompliziert Markt oder Produkt sein mögen.

Beispiele bekannter Marken sind: Aldi (preiswerte Lebensmittel), BMW (Sportlichkeit), Dr. Oetker (Gelingsicherheit), Duracell (Langlebigkeit), Federal Express (Overnight), Ikea (preiswerte Möbel), Lotus Notes (Groupware), Marlboro (Freiheit, Abenteuer), Volvo (Sicherheit) etc.

Allerdings ist es mit Schlagworten so eine Sache. Beobachten Sie, ob sie im Laufe der Zeit an Zugkraft verlieren. Dann wird es unter Umständen Zeit für eine Neu-Positionierung oder einen Relaunch.

Klauen Sie kein Schlagwort!

Grundsatz 6

Zwei Unternehmen können nicht dasselbe Schlagwort in den Köpfen Ihrer Kunden besetzen.

Wenn es einem Unternehmen gelungen ist, sich mit einem Schlagwort erfolgreich zu positionieren, sich also mit einem Schlagwort im Bewusstsein der Kunden zu etablieren, ist es nahezu sinnlos für andere Anbieter, dieses Schlagwort auch für sich in Anspruch nehmen zu wollen.

Selbst namhafte Unternehmen haben es immer wieder versucht – in der Regel jedoch erfolglos. Überzeugungen von Kunden lassen sich nicht einfach mit Geld (z. B. für Werbung) kaufen.

Vorsicht ist also angezeigt, wenn Ihnen die Marktforschung aus Kundensicht wichtige Attribute liefert, die schon von Wettbewerbern besetzt sind. Oft sind sie ja gerade deshalb besetzt, weil sich ein Wettbewerber erfolgreich positioniert hat.

Kennen Sie Ihren Platz auf der Leiter!

Grundsatz 7

Die Strategie, die Sie verfolgen, hängt davon ab, auf welcher Stufe der Leiter Sie stehen.

Falls es Ihnen nicht (mehr) gelingt, sich in einer Branche mit einem Pionierprodukt zu positionieren, weil Ihnen ein Wettbewerber zuvor gekommen ist, gibt es auch Erfolgsstrategien für zweit- und eventuell drittplatzierte Marken.

Kunden haben oft eine unbewusste Hierarchie von Produkten. Jedes Segment hat gewissermaßen eine Produktleiter, auf deren Stufen jeweils unterschiedliche Marken stehen. Nehmen Sie beispielsweise Staubsauger von Vorwerk, die unzweifelhaft bei vielen Verbrauchern ganz oben auf der Produktleiter als beste Staubsauger stehen. Es wäre für andere Anbieter von Staubsaugern gefährlich, diesen Anspruch für sich zu beanspruchen. Der Verbraucher würde es nicht glauben, weil er es ja besser weiß. Besinnen Sie sich aber auf Ihre Position auf der Leiter und entwickeln entsprechende alternative Positionierungen, können Sie durchaus Marktanteile erobern.

Seien Sie Zweiter, wenn Sie nicht Erster sein können!

Grundsatz 8

Auf lange Sicht entwickelt sich jeder Markt zu einem Rennen zwischen zwei Zugpferden.

Dieser Grundsatz ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch zum ersten. Wenn Sie schon nicht die Nummer eins sein können, ist es durchaus erstrebenswert, sich bewusst als echte Alternative zum Marktführer zu positionieren.

In reifen Branchen grenzen sich in den jeweiligen Marktsegmenten meist zwei (seltener drei) Anbieter mit deutlichen Marktanteilen und höherer Rentabilität von anderen ab. Langfristig sollten Sie also zumindest die Nummer zwei sein.

Sie können diese Position allerdings nur dann behaupten, wenn Sie deutlich anders sind als die Nummer eins! Also gilt …

Seien Sie anders!

Grundsatz 9

Wenn Sie auf den zweiten Platz abzielen, wird Ihre Strategie vom Marktführer bestimmt.

Jeder Marktführer hat zentrale Schlüsselfaktoren, die für seinen Erfolg verantwortlich sind. Sie müssen diese herausfinden, mögliche Schwächen aus Kundensicht entlarven und dort mit Ihren Schlüsselfaktoren ansetzen. Ihre Strategie wird also maßgeblich von der Strategie des Marktführers bestimmt.

Nicht weil Sie sie kopieren, sondern im Gegenteil, weil Sie es anders machen!

Teile und herrsche!

Grundsatz 10

Im Laufe der Zeit teilt sich eine Kategorie und es entstehen zwei oder mehr Segmente.

Jeder Markt bildet früher oder später weitere Segmente. Beispiele hierfür sind der PKW-Markt (Oberklasse, Mittelklasse, Kleinwagen, Off-Roader, Roadster, Cabrios etc.), der Computermarkt (Desktop, Workstation, Notebook, Mobile etc.), der Handy-Markt.

Eine wichtige Rolle beim Erschließen neuer Segmente spielt das Timing. Sie können zu früh ein neues Segment eröffnen. Dann sollten Sie sich in Geduld üben und die Zeit nutzen, den ersten Platz im Bewusstsein der Verbraucher zu erobern, bevor die Konkurrenz auftaucht.

Steigen Sie zu spät ein, ist der Zug schon abgefahren und Sie haben kaum noch Zeit, sich erfolgreich als weiterer Anbieter zu positionieren. Es gilt also …

Denken Sie langfristig!

Grundsatz 11

Es dauert eine gewisse Zeit, bis Marketing Wirkung zeigt. Alle Maßnahmen im Marketing brauchen Zeit, bis sie ihre volle Wirkung entfalten, weil sie Wahrnehmungen und Einstellungen von potenziellen Kunden erst verändern müssen.

Üben Sie sich in realistischer Geduld, wenn Sie eine nachhaltige Wirkung erzielen wollen. Selbst wenn Sie kurzfristige Effekte erzielen, sollten Sie prüfen, welche langfristigen Folgen sich aus Ihrem Verhalten ergeben.

Wenn Sie ein Produkt beispielsweise neu positionieren wollen, dauert es erst eine gewisse Weile, bis die Kunden Ihren neuen Anspruch gelernt haben. Wollen Sie z. B. den Service forcieren, ist kaum zu erwarten, dass die Kunden ihre Einstellung Ihrem Unternehmen gegenüber ändern, nur weil Sie eine entsprechende Werbekampagne machen. Die Kunden müssen ihre eigenen Erfahrungen sammeln, von den Erfahrungen anderer hören und erleben, dass es sich bei der neuen Ausrichtung nicht nur um eine Eintagsfliege handelt.

Kurzfristig können Sie mit Sonderpreisen den Absatz ankurbeln, langfristig wird aber Ihr durchschnittlicher Verkaufspreis und mit ihm Ihr Deckungsbeitrag sinken, wenn Sie solche Aktionen häufiger wiederholen.

Halten Sie Ihr Programm schlank!

Grundsatz 12

Der Drang, Kapital aus einem Markennamen zu schlagen, ist nahezu unwiderstehlich. Vielleicht der Grundsatz, gegen den am häufigsten verstoßen wird. Erfolge mit einem Produkt oder in einem bestimmten Segment verführen geradezu, den Erfolg dadurch auszuweiten, dass weitere Produkte und neue Märkte mit dem gleichen Konzept angegangen werden und die Angebotspalette immer weiter ausgedehnt wird.

Verkannt wird, dass ein erfolgreiches Produkt oder eine erfolgreiche Marke in der Wahrnehmung der Kunden für etwas Bestimmtes steht. Die lässt sich nicht ohne weiteres auf neue Produkte oder Märkte übertragen. Außerdem ist die Gefahr der Verzettelung groß, wenn Sie sich, statt bisher auf ein Produkt oder ein Marktsegment, auf viele konzentrieren müssen.

Nivea mit seinem sehr breiten und tiefen Körper- und Haarpflegeprogramm ist eher als erfolgreiche Ausnahme, denn als Vorbild zu sehen. Selbst Unternehmen wie IBM (Computer), Microsoft (Software), Caterpillar (Baumaschinen) u. a. fällt es trotz enormer Mittel nicht leicht, ihre Programme erfolgreich auszuweiten.

Die Marktführer in den meisten Branchen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihr Programm schlank halten und nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen. Mehr ist weniger! Je mehr Produkte ein Unternehmen herstellt, je mehr Märkte es bearbeitet und je mehr Allianzen es eingeht, desto weniger Geld verdient es. Konzentrieren Sie sich also auf die Geschäftsfelder, von denen Sie wirklich etwas verstehen.

Um neue Produkte erfolgreich einzuführen benötigt man nicht nur Kapital. Man benötigt auch eine herausragende Idee und ein entsprechendes Konzept. Sie müssen nämlich entweder eine neue Produktkategorie schaffen oder das Produkt als echte Alternative zum Marktführer positionieren.

Laufen Sie nicht jedem und allem hinterher!

Grundsatz 13

Sie müssen etwas aufgeben, um etwas dazu zu bekommen. Um heute Erfolg zu haben, müssen Sie darauf verzichten, auf drei weitverbreitete Irrtümer hereinzufallen:

1. Das Märchen von der Programmerweiterung

Nirgendwo steht geschrieben, dass Sie mehr verkaufen, wenn Sie möglichst viele unterschiedliche Produkte anbieten. Das Vollsortiment ist ein Luxus, den sich oft nur Verlierer leisten!

Laufen Sie also nicht jeder Idee und jedem Kunden hinterher. Im Bewusstsein Ihrer Kunden stehen Sie für etwas, für eine spezifische Eigenschaft oder für ein bestimmtes Merkmal. Sie stehen nicht für alle möglichen Eigenschaften und Fähigkeiten. Den Bauchladen mit ausschließlich herausragenden Produkten glauben Ihnen Ihre Kunden genauso wenig, wie die »eierlegende Wollmilchsau«, die für jede Problemstellung die optimale Lösung bietet.

Wenn Programmerweiterung eine wirksame Strategie wäre, müssten alle Generalisten rentabel und erfolgreich sein. Allzu häufig kämpfen sie ums Überleben und die wahren Marktführer sind in Wirklichkeit die stärker fokussierten Unternehmen.

2. Das Märchen vom Gesamtmarkt

Nirgendwo steht geschrieben, dass Sie jeden potenziellen Käufer in Ihrem Markt auch erreichen und überzeugen müssen. Selbst wenn Sie im Gesamtmarkt operieren, ist es in der Regel wesentlich gewinnbringender, sich auf bestimmte zu den eigenen Marken und Produkten besser passende Zielgruppen zu konzentrieren.

Wenn Sie es nicht jedem recht machen wollen, können Sie sich mit Ihrer Positionierung besser auf Ihre Kernzielgruppe konzentrieren. Sorgen, dass Sie sich zu sehr konzentrieren, müssen Sie sich nicht machen. Denn so paradox es klingt, in dem Maße, wie Ihre Attraktivität für eine wesentliche Kernzielgruppe zunimmt, nimmt auch Ihre Attraktivität für andere Zielgruppen zu.

Von diesem Mitnahme- oder Synergieeffekt hat z. B. Pepsi profitiert, als die verantwortlichen Manager bei einem Marktanteil von unter 10 % in den USA entschieden haben, sich mit ihrer Positionierung nur noch auf den Teenagermarkt zu konzentrieren. Der Rest ist Geschichte. Heute herrscht immer noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Pepsi und Coca-Cola. Pepsi entwickelte sich so von einem Anbieter unter »ferner liefen« zu dem ernstzunehmenden Konkurrenten für Coca-Cola.

Obwohl Sie also mit Ihrer Positionierung eine bestimmte Kern- oder Haupt-Zielgruppe anvisieren, beschränkt sich die tatsächliche Käufergruppe nicht nur auf diese Zielgruppe! Es ist vielmehr so, dass Pepsi z. B. auch von einem Mann in den Vierzigern oder älter gern getrunken wird, wenn er sich noch jung geblieben fühlt. Noch deutlicher ist dieses Phänomen bei Porsche zu sehen. Wer kauft Porsche? Nur diejenigen, die gerne schnell, dynamisch, sicher und bis an die Grenzen fahren?

3. Das Märchen vom jährlichen Strategiewechsel

Nirgendwo steht geschrieben, dass Sie jedes Jahr Ihre Strategie ändern müssen. Im Gegenteil: Kennzeichen erfolgreicher Positionierungsstrategien sind eher Kontinuität und Konsequenz. Allein schon, weil es eine Weile dauert bis Strategien greifen (siehe Grundsatz 11).

Jede Neupositionierung bedeutet zwangsläufig: Alle Marketingaktivitäten sind neu zu gestalten, die Kunden müssen die neue Positionierung – mit allen Risiken – wieder neu lernen, und Sie nehmen das Risiko in Kauf zu scheitern. Außerdem schätzen Kunden das Bewährte. Neues birgt auch aus Sicht der Kunden immer Risiken. Menschen lieben Veränderungen nicht, sondern fürchten sie eher.

Es gibt im Bereich von Strategie und Positionierung nur einen Grund kurzfristig etwas zu ändern – der eingeschlagene Weg erweist sich aufgrund falscher Annahmen als falsch und muss modifiziert werden.

Finden Sie Ihr wichtiges Merkmal!

Grundsatz 14

Für jedes Merkmal gibt es ein entgegengesetztes Merkmal, das ebenfalls Wirkung zeigt. Wir haben bereits diskutiert, dass es unmöglich ist, die Positionierung eines anderen Anbieter erfolgreich zu kopieren (Grundsatz 6). Für eine bestimmte Eigenschaft, ein bestimmtes Merkmal, ein bestimmtes Schlagwort kann im Bewusstsein der Zielperson immer nur genau ein Anbieter stehen. Kurz: »Es kann nur einen geben!«.

Da Positionierung immer ein Wettkampf der Ideen ist, müssen Sie eine eigene Idee oder ein nur für Sie charakteristisches Merkmal finden. Aber Achtung! Nicht alle Merkmale und Eigenschaften sind für Ihre Kunden gleich wichtig. Idealerweise finden Sie das für Ihren Kunden wichtigste Merkmal und erobern es für sich. Sollte ein Wettbewerber sich hier bereits erfolgreich positioniert haben, bleibt Ihnen nur der Weg, ein anderes wichtiges Merkmal zu finden.

Seien Sie aufrichtig!

Grundsatz 15

Wenn Sie ein Minus zugeben, wird Ihnen der Kunde einen Pluspunkt geben. Wenn Ihr Angebot eine Schwäche oder etwas Negatives hat – geben Sie es als Erster zu! Und wenden Sie es dann in eine Stärke.

Wenn es Ihnen gelingt, diese Schwäche im Bewusstsein Ihrer Zielgruppe als Erster zu besetzen, haben Sie auch sofort eine eindeutige Positionierung.

Avis hat sich offen zu seiner Position zwei im Mietwagensektor bekannt und direkt daran gekoppelt, dass Sie sich umso mehr bemühen, besser als die Konkurrenz zu sein. Da jeder ohnehin wusste, dass Avis die Nummer zwei war, und das Bemühen um bessere Leistung als die anderen plausibel erschien, ging die Rechnung auf. Ähnliche Positionierung wie z. B. »nicht die Schnellsten, aber die Zuverlässigsten«, »nicht die Günstigsten, aber die Frischesten«, »nicht die Einfachsten, aber die Leistungsfähigsten« funktionieren in der Praxis, wenn man es richtig anpackt.

Dieser Grundsatz bezieht seine Kraft daraus, dass Ehrlichkeit von der Öffentlichkeit belohnt wird. Dennoch sollten Sie diesen Grundsatz vorsichtig anwenden. Ihr »Problem« muss von einer breiten Öffentlichkeit auf Anhieb als solches akzeptiert werden, sonst stiften Sie eher Verwirrung und die geplante Positionierung führt eher zu Verunsicherung.

Entwickeln Sie Ihre ureigene Strategie!

Grundsatz 16

In jeder Situation gibt es nur eine Strategie, die nachhaltige Ergebnisse zeigt. Die weit entwickelten Instrumente des Marketings verführen Marketingmanager die verfügbaren Mittel undifferenziert auf den taktischen Bereich zu verteilen. Anschließend wird Detailoptimierung betrieben. Andere Unternehmen setzen einfach die gleichen Mittel wie der Marktführer ein. Sie erliegen der Illusion, der Marktführer würde es schon wissen und ahmen seine Konzepte nach.

So werden keine großen Marketingsiege erzielt. Entscheidend ist vielmehr den Markt und das Umfeld zu analysieren und zu verstehen ohne den Blick für das Wesentliche zu verlieren.

Finden Sie den unerwarteten Schachzug, der zum Erfolg führt und setzen Sie diesen um. Machen Sie das Unerwartete! In der unternehmerischen Praxis haben Sie nicht die Wahl zwischen verschiedenen gleichermaßen wirksamen Optionen. Es geht darum, den einen wirksamsten Hebel zu finden.

Glauben Sie keinen Vorhersagen!

Grundsatz 17

Solange Sie Ihrem Konkurrenten nicht in die Karten schauen können, sind Sie auch nicht imstande die Zukunft vorauszusagen. Die beste Marktforschung liefert Ihnen keine hundertprozentig verlässlichen Daten über das Verhalten Ihrer Wettbewerber.

Allein die Hoffnung, die Konkurrenz würde sich so verhalten, wie es für Sie am besten ist, ist schon naiv. Außerdem kennen Sie nicht die Intentionen der anderen Anbieter, zumal inzwischen auch hier in Deutschland kurzfristiges Denken in Quartalen und einseitige Ausrichtung auf den Shareholder Value um sich greifen und verstärkt zu einem extrem kurzfristigen, finanzorientierten Verhalten führen, das mit Strategie nur wenig gemeinsam hat. Um es kurz zu machen: Es lässt sich nicht im Voraus sagen, welche die nächsten Schritte Ihrer Wettbewerber sind.

Natürlich lassen sich Entwicklungstendenzen erkennen, lassen Sie aber die Finger von allzu ambitionierten Trendextrapolationen auf der Basis von Vergangenheitswerten. Stellen Sie sich darauf ein, möglichst flexibel auf gegenwärtige Veränderungen zu reagieren, und entwickeln Sie Alternativpläne für Unvorhergesehenes.

Die regelmäßige Beschäftigung mit unterschiedlichen Szenarien führt dazu, im Fall von Abweichungen der unterstellten Annahmen schnell und sicher zu reagieren.

Es gibt es nur einen Weg mit Unsicherheit konstruktiv umzugehen:

  1. Mut zur Entscheidung,
  2. Konsequenz bei der Umsetzung,
  3. Bereitschaft Fehler zu machen,
  4. Fähigkeit schnell aus ihnen zu lernen,
  5. Durchhalten!

Erhalten Sie sich die Fähigkeit, bei vorgegebener Strategie mit Ihrer Taktik flexibel zu reagieren.

Halten Sie Ihr Ego klein!

Grundsatz 18

Erfolg führt oft zu Hochmut und Hochmut kommt vor dem Fall. Insbesondere schnelle Erfolge führen einen leicht in Versuchung, Kapital aus einer »glücklichen« Situation zu schlagen. Freuen Sie sich über Erfolge, aber werden Sie nicht leichtsinnig.

Zu oft habe ich beobachten können, dass der Versuch, einen Erfolg auf andere Produkte »eins zu eins« zu übertragen, scheiterte. Genauso wenig sollten Sie versuchen, in einer Situation, wo Sie die Oberhand haben, z. B. weil Konkurrenten nicht liefern können, den Bogen zu überspannen, indem Sie z. B. versuchen, überteuerte Preise herauszuschlagen. Die Zeiten werden sich wieder ändern und Kunden wie Konkurrenten haben ein gutes Gedächtnis.

Nicht nur in großen Unternehmen verlieren die obersten Führungsetagen gelegentlich den Kontakt zur Basis und damit zu den Kunden.

Gestehen Sie sich Fehler ein!

Grundsatz 19

Fehlschläge müssen erwartet und akzeptiert werden. Thomas Alva Edison, der zu seiner Zeit einer der erfolgreichsten Erfinder war, weil seine Erfindungen immer wieder den Weg zum Kunden fanden, hat einmal auf die Frage, warum seine Arbeitsweise so erfolgreich sei, gesagt, dass er seine Fehler schneller mache als andere.

Alfred Krupp hat es auf den Punkt gebracht: »Wer arbeitet, macht Fehler. Wer viel arbeitet, macht mehr Fehler. Nur wer die Hände in den Schoß legt, macht gar keine Fehler.« Wenn Sie sich einige Biografien der erfolgreichsten Unternehmer, Manager und Marketingleute anschauen, werden Sie feststellen, dass alle auch schwerwiegende Rückschläge hinnehmen mussten.

Stellen Sie sich also darauf ein, dass Sie Fehler machen. Seien Sie wachsam und korrigieren Sie sie möglichst umgehend. Überdenken Sie Ihre Einstellung zu Fehlern, damit es Ihnen nicht so ergeht, wie vielen Marketingverantwortlichen in der nachfolgend geschilderten Situation.

In der Praxis finden sich immer wieder Produkte, die von Anfang an keine ausreichenden Deckungsbeiträge für das Unternehmen eingespielt haben. Weil aber niemand Verantwortung übernehmen will und alle anderen für die Misere verantwortlich sind, wird das »Schwarzer-Peter-Spiel« solange fortgesetzt, bis die Verluste so deutlich spürbar sind, dass es eine klärende Entscheidung der »Chefetage« gibt. Lassen Sie es nicht soweit kommen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Trauen Sie den Medien nicht!

Grundsatz 20

Die Situation ist in Wirklichkeit oft das genaue Gegenteil dessen, was sie in der Presse zu sein scheint. Wenn Sie Trends und neueste Entwicklungen aufspüren wollen, verlassen Sie sich bitte nicht auf die (Fach-)Medien. Viele Entwicklungen, die einst von Fachjournalisten hoch bejubelt worden sind, erwiesen sich hinterher als Ente. Denken Sie beispielsweise an die Begeisterung für UMTS, den wahren Internet-Hype, der nicht unmaßgeblich von den Medien geschürt wurde, den Aktien-Boom der Telekom, die überzogenen Erwartungen an die Biotechnologie etc.

Die Medien beziehen Informationen aus Quellen, von so genannten Experten, die entweder Interesse haben sich zu profilieren, die zu euphorisch bestimmte Entwicklungen betrachten oder einfach Fehleinschätzungen vornehmen. Manchmal ist nur der Glaube oder die Hoffnung die Mutter des Gedankens. Märkte sind komplexe Systeme mit vielen Unbekannten. Sichere Prognosen sind also nahezu nicht möglich. Bestenfalls lässt sich ein Trend sicher bestimmen, wenn er schon sehr deutlich ist. Dann ist es meistens zu spät, um rechtzeitig darauf zu reagieren.

Vielleicht ist Ihnen schon einmal das Phänomen aufgefallen: Wenn einer über etwas Neues oder Spektakuläres berichtet hat, tauchen die Meldungen auf einmal in allen Medien auf – ein Schneeballeffekt, von Journalisten ausgelöst, die unter Zeitdruck nicht ausreichend nachrecherchieren und Inhalte zu ungefiltert übernehmen. Also: Vertrauen Sie den Medien nicht blind.

Machen Sie nicht jede Mode mit!

Grundsatz 21

Erfolgreiche Strategien werden nicht auf dem Fundament kurzlebiger Marktlaunen, sondern langfristiger Trends gebaut.

Langfristige Trends finden in der Regel keinen nachhaltigen Widerhall in der Presse, da sie sich langsam abzeichnen und nur langsam konkretisieren. Dennoch sind gerade sie für das Marketing von besonderem Interesse.

Erfolgreiche Strategien bemühen sich, Trends zu antizipieren und als Fundament für Markterfolge zu nutzen. Kurzlebige Moden hingegen halten meist nicht lange genug an, um das Geld, das Sie investieren, wieder einzuspielen. Dies gilt besonders dann, wenn Sie nicht zu den Pionieren gehören, die von Anfang an mitspielen.

Halten Sie Geld bereit!

Grundsatz 22

Eine Idee hat keine Chance, wenn ihr die finanzielle Unterstützung fehlt.

Marketing ist ein Kampf um die Wahrnehmung der Kunden. Damit Sie sich im Bewusstsein Ihrer Kunden einen Platz erobern können, müssen Sie investieren. Ist es Ihnen gelungen, sich erfolgreich zu positionieren, müssen Sie diese Position verteidigen. Auch das kostet Geld. Je härter der Wettbewerb, umso mehr müssen Sie investieren – in Produkte, in Absatzwege und Vertrieb, in Kommunikation usw.

Sie sehen, die Grundgesetze des Marketings und effektiver Positionierung sind im Prinzip einfach. Die Umsetzung erfordert Konsequenz und Durchhaltevermögen.

Verstoßen Sie nicht gegen die genannten Grundsätze. Meine Erfahrungen aus mehr als 400 Kundensituationen bestätigen die Thesen von Ries und Trout.

Wenn Unternehmen Erfolg haben, dann haben sie die Grundsätze (mehr oder weniger bewusst) befolgt. Bei Problemen gilt oft, dass sie gegen mehrere Grundsätze verstoßen haben. Schauen Sie sich die Erfolge und Misserfolge in Ihrem Umfeld an, um sich Ihr eigenes Urteil zu bilden.

Die ganze Schwierigkeit besteht darin, »den Grundsätzen, welche man sich gemacht hat, in der Ausführung treu zu bleiben« (Carl von Clausewitz).

Fortsetzung folgt ...

Bei der Verwirklichung und Umsetzung der Grundgesetze des Marketings stehen wir Ihnen gerne zur Seite. Weitere Impulse werden folgen.

Bei Fragen oder Feedback freuen wir uns auf Ihre Nachricht: info@duessel.com

Letzte Änderung: 21.02.2020

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